Virenscanner zensiert Inhalte

Virenscanner zensiert Inhalte

Digitale Gottspielerei: Virenscanner zensiert Inhalte

von Peter Boehringer E-Mail 30.11.09 13:10:59

[Update 1 um 14.05 Uhr]
Wichtig: Nur EINE Stunde (!) nach dem Einstellen dieses Blogeintrags bzw. nur einen Tag nach den ersten öffentlichen Beschwerden hat Trend Micro zumindest konkludent reagiert: Derzeit noch begründungslos ist mmnews.de wieder von der schwarzen Zensurliste gestrichen worden! B)
Sowohl auf der Testseite von TM als auch nach ganz aktuellen Userberichten mit dem Produkt "OfficeScan" von TM wird die mmnews.de nicht mehr gesperrt!! Das Gleiche gilt auch für einige andere bislang gesperrte Seiten, die bis vor 2 Stunden nachweislich noch auf der schwarzen Liste waren!
=> So viel zum Thema "Macht der Öffentlichkeit"...
=> Heimlichkeit fördert Sauereien. Transparenz verhindert sie. Noch viele Sauereien müssen auf den Tisch. Audit the Fed!
[Ende Update 1 - eine Begründung / Rechtfertigung / Entschuldigung von Trend Micro wird ggf. nachgeliefert]

[Hinweis: Bitte den Disclaimer am Ende dieses Blogeintrags beachten.]

Langsam geht es in der bundesdeutschen Realität des Jahres 2009 richtig los mit der Zensur. Genau wie von vielen Beobachtern seit Jahren befürchtet und prognostiziert. Diesmal sitzen die Täter einmal nicht direkt in der Regierung, sondern bei den (wichtigen) Hilfstruppen in der Software-Industrie.

Anti-Viren Marktführer Trend Micro Inc. (Eigenwerbung "Maximum Security and Online Freedom") erklärt nicht, warum kritische Nachrichten-Seiten im Internet von hauseigenen Produkten unzugänglich gemacht werden.

"Kritisch" ist aus Trend Micro - Sicht dabei offenbar nicht nur im Sinne "Viren-verseuchte Seite" zu verstehen, sondern offensichtlich wird auch INHALTLICH "Unliebiges" zensiert!

Konkret hat es die Seite www.mmnews.de erwischt, auf der zwar manchmal leicht überspitzte Pointierungen und auch ab und zu einmal inhaltlich umstrittene Aussagen zu finden sind. Aber das ist auf Hunderten von Websites so und auf vielen davon stehen dennoch mehr relevante Wahrheiten als im Mainstream, dessen Websites übrigens bei einem derart scharfen Filter- bzw. Zensur-Kriterium von Trend Micro praktisch alle komplett ausgefiltert werden müssten!

Einsilbiges Verdikt von Trend Micro (TM) über mmnews: "malicious Website"! Darum werden die TM-Kunden vor mmnews geschützt. Als ob kritisch-wahrer Content ein gefährlicher Virus wäre (was er allerdings aus Elitensicht tatsächlich zunehmend IST!)...

Der Trick dabei ist die Vermischung von (zulässigem und von den Kunden erwünschtem) TECHNISCHEN Virenschutz mit der Filterung aus INHALTLICHEN Gründen. >:XX

In der Funktionalitätsbeschreibung sind die klassischen technischen Features aufgelistet, die eine gute Anti-Viren-Software haben sollte. Zwar sind heutzutage diverse digitale Schädlinge zu bekämpfen (TM: "Viren, Spyware, Rootkits, Netzwerkwürmer, Hacker"). Alle haben aber gemeinsam, dass sie TECHNISCHE Bedrohungen für die PC-Hardware und -Software darstellen.

Der Betreiber von mmnews bestreitet apodiktisch, dass seine Seite irgendeine dieser technischen Bedrohungen für die Surfer darstellt, darstellen könne oder je dargestellt habe.

Da TM Rückfragen zu diesem Thema bislang nicht beantwortet, muss man daher an dieser Stelle spekulieren, denn Tatsache ist, dass mmnews.de seit einigen Wochen von (u.a.) dem TM-Produkt "OfficeScan" ausgefiltert wird.

Die Spekulation liegt nahe, dass hier eben doch INHALTLICH begründete Ausfilterung - und damit Zensur vorliegt. Vorgenommen durch eine Software, die nicht primär aus Gründen des "Jugendschutzes" oder "Anti-Spams" ausfiltert, sondern durch eine klassische Anti-Viren-Software mit einem Fokus auf technischem Systemschutz!

Das mögliche (?) Einfallstor für diesen bis heute unbegründeten Akt der Gottspielerei der TM-Programmierer könnte in gewissen Wortschöpfungen von TM liegen, die über die von den Kunden gewünschte technische Schutzfunktion hinaus eben auch eine inhaltliche Zensur zulassen:

"Malware Schutz", "File reputation", "Web reputation", "Schutz vor Produktivitätsverlust", "Schutz vor komplexen Bedrohungen", "Schutz vor Internet-Bedrohungen".

Jede einzelne dieser Begriffskreationen ist schwammig formuliert und auch beim mehrfachen Nachlesen der Funktionalitätsbeschreibungen auf den TM-Seiten bleibt unklar, ob hier eben doch INHALTLICHE Bedrohungen (i.S.v. "politisch inkorrekte Informationsseite") gemeint sind; und vor allem, nach WELCHEN INHALTLICHEN Kriterien eine Website ggf. einen guten oder schlechten "Web reputation score" erhält!

Auszug aus einer TM-Seite: "Mit einer der größten Domain-Reputationsdatenbanken der Welt überprüft die Web Reputation Technologie von Trend Micro die Glaubwürdigkeit [sic!] und weist ihnen einen Reputationswert zu. [88|] Dieser Wert basiert auf Faktoren, wie z. B. dem Alter der Website, geänderten Standorten und Anzeichen von verdächtigen Aktivitäten, die bei der Analyse des Malware-Verhaltens entdeckt wurden. Anschließend durchsucht die Web Reputation weitere Websites und verhindert, dass Benutzer auf infizierte Sites zugreifen. Um die Genauigkeit zu erhöhen ..., weist die Trend Micro Web Reputation Technologie bestimmten Seiten oder Links innerhalb einer Website Bewertungen zu, statt eine ganze Website zu klassifizieren oder zu sperren. "
=> Nirgendwo ist hier direkt von INHALTLICHEN Gründen die Rede, die zu einer Sperrung führen könnten. Und doch scheint genau dies -jedenfalls in Einzelfällen- zu geschehen.

Weitere Details zum aktuellen Vorgang der Zensur von mmnews kann man auf der mmnews-Seite selbst nachlesen (zumindest wenn man ggf. "OfficeScan" vorher vom Computer de-installiert hat ... :roll:). Für diejenigen Leser, denen mmnews.de bereits per Scanner-Zensur vorenthalten wird, nachfolgend das Wichtigste daraus:

" Dieser Vorgang zeigt in aller Deutlichkeit, woher in Zukunft der Wind wehen könnte. Nicht nur durch Politik ist die Freiheit des Internets bedroht, sondern auch durch so genannte 'Anti-Viren-Software' Hersteller. Wenn ein Anti-Viren-Programm eine Seite auf die schwarze Liste nimmt, dann bleibt das natürlich nicht ohne Folgen für die Gesamtreputation, insbesondere was die Platzierung bei Suchmaschinen angeht. Zukunftsvision der Internet-Zensur: Wer ein Anti-Viren-Programm installiert hat, bei dem bestimmt dann der Hersteller, welche Seiten angesteuert werden können und welche nicht. Aufmüpfige User werden erschreckt mit dem eindringlichen Warnhinweis, dass die entsprechende Seite ein hohes Sicherheitsrisiko birgt. Wer würde da schon gern das Gegenteil ausprobieren? Aus Angst vor einer angeblichen Virengefahr werden viele User eine solche Seite vermutlich erst gar nicht aufrufen wollen. Wir halten das Vorgehen von Trend Micro für einen ungeheuerlichen Skandal. Zumal noch nicht einmal die Gründe für die Sperrung genannt wurden. Dem unvoreingenommenen User wird MMnews auf diese Weise als "gefährliche" Seite dargestellt, auf der er sich womöglich Viren einfängt. Dies ist absolut nicht der Fall. Von MMnews geht keine Virengefahr aus! Uns ist nicht bewusst, dass unser Server auf irgendeine Weise verseucht sein könnte. Dafür sorgen strenge Kontrollen. "

=> Einige Virenscan-Programme spielen offenbar entweder begründungslos oder unter fadenscheinigen technischen Begründungen mit beim derzeit beliebten Zensurspiel gegen die freie Meinungsäußerung.

Falls solche Blockaden Schule machen und diese "prominente" Blockade von MMnews nicht revidiert wird, wird die an diesem Punkt zurecht extrem sensible Netzgemeinde zum Boykott der entsprechenden Anti-"Viren"-Programme aufrufen. Seit den Anfängen der anarchischen IT-Nerd-Szene in den 80er-Jahren bis zur heutigen Blogger- und Twitter-Phase sind derartige Exempel schon häufig völlig unorganisiert und spontan-virtuell statuiert worden. Aktiv in der Netzwelt tätige Virenscan-Unternehmen sollten das wissen. Diese neuen Götter in Weiss stellen sich gegen mehrere Hundert Millionen Zensur-allergische Surfer!

Michael Mross von mmnews hat neben seiner langjährig guten Reputation in den Mainstream-Medien auch sehr viele Freunde in der seriösen Bloggerszene. Dies nicht erst seit seiner Rede vor 2 Wochen auf einer Berliner online-Journalisten-Konferenz. Diese 40-minütige Rede ist hörenswert und war u.U. sogar der Anlass für Trend Micros Zensur: http://www.youtube.com/watch?v=6FUtjDDekmY

Falls diese Zensurmaßnahme also Bestand hat, wird es eine Welle der Solidarität geben, denn jeder kritische, nicht-100%ig-politisch-korrekte, wahrheitssuchende und noch unabhängige Blogger egal welcher Couleur weiß, dass er als nächster ausgeblendet werden könnte. Der Organisationsgrad der Multiplikatoren im Internet ist in diesen Zensurfällen extrem hoch und superschnell.

Wichtiger Disclaimer: Die Infos in diesem Blogeintrag beruhen auf Schilderungen von betroffenen Seiteninhabern und deren Surf-Kunden. Man kann nicht ausschließen, dass die konkrete Sperrung von mmnews.de ein Versehen von TM war. Nachdem aber auch nach mehreren Rückfragen keinerlei Begründung oder auch nur eine Antwort von TM vorliegt, kann eine Sichtweise von TM hierzu derzeit nicht veröffentlicht werden. Sollte TM die virentechnisch nicht nachvollziehbare Sperre dieser und anderer Seiten aufheben, wird an dieser Stelle ein Update eingestellt und ggf. auch eine offizielle Begründung von TM, wie es zu dieser Sperre kommen konnte. Selbstredend auch eine angebrachte Entschuldigung. Der konkrete Sperrfall mmnews.de liefert nur exemplarisch den Anlass für diesen Blogeintrag. Es gibt heute leider immer wieder solche Versuche versteckter inhaltlicher Zensur.
Kategorien: Tagesgespräch, Mensch & Umwelt
Tags: blogger, inhaltezensur, inhaltliche zensur, kritische webseiten, malicious, malware, mmnews, office scan, trend micro, web reputation, zensur